Ausgrabungen auf dem Lavanter Kirchbichl (Text: Julia Rabitsch)
Nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten und der diese begleitenden archäologischen Ausgrabungen in der sog. Bischofskirche konzentrierten sich die Arbeiten dieses Jahr auf den unmittelbar südlich der Kirche befindlichen Gebäudekomplex (Komplex I, Abb. 01). Wie die Arbeiten an und in der Kirche wird auch das Folgeprojekt vom Land Tirol finanziert und in Kooperation mit der Universität Innsbruck durchgeführt. Ziel ist die Instandsetzung der obertägig sichtbaren Mauern der Gebäude im Umkreis der frühchristlichen Kirche sowie die Klärung noch offener wissenschaftlicher Fragen.
In der Zeit von 10. Juli bis 04. August fanden deswegen archäologische Ausgrabungen im Komplex I statt. Die Erforschung dieser Gebäude begann in den Jahren 1952 und 1953 mit ersten Sondagen durch Franz Miltner. Weiterführende Grabungen sowie eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Befunde blieben jedoch bis heute aus. Die wenigen Dokumente, die sich von der originalen Grabungsdokumentation erhalten haben werfen zudem Fragen zu Binnengliederung des Baus sowie zu dessen Funktion auf. Letzteres beschäftigt die archäologische Forschung vor allem ob der Lage im Nahbereich der Kirche bereits seit Jahrzehnten. So sprach sich z. B. Stefan Karwiese für Wohnunterkünfte der Diakone aus, ohne dies begründen zu können. Mit den aktuellen archäologischen Untersuchungen wird versucht diesen offenen Fragen auf den Grund zu gehen.
Die Arbeiten beschränkten sich heuer auf den westlichen Raum (I-2) des Gebäudekomplexes, in dem von Miltner eine stufenförmige Binnengliederung verzeichnet wurde. Nach Entfernen des Humus und Ausnehmen der Altschnitte aus den 1950er Jahren konnte neues Licht auf die Mauerzüge geworfen werden (Abb. 02): Eine Nord-Süd-orientierte Binnenmauer teilt das Gebäude in einen schmalen Eingangsbereich im Osten und einen großen Raum im Westen. Der große Marmorblock am südlichen Ende dieser Mauer dürfte als Türschwelle zwischen den beiden Räumen gedient haben. Dies zeichnet sich unter anderem in einer runden Vertiefung an der Oberseite des Blocks ab, die Nutzungsspuren einer kreisenden mechanischen Bewegung aufweist und somit als Türpfanne interpretiert werden kann. Die weiteren Einlassungen an der Oberseite des Marmors deuten darauf hin, dass dieser – ebenso wie weitere Marmorblöcke in der Kirche – ursprünglich in einem anderen, bis dato unbekanntem, Verbund stand.
Neben diesem in seiner Zweitverwendung an Originalposition gefundenen Stein konnten noch drei weitere Steinblöcke im Eingangsbereich sowie ein großer Block unmittelbar vor dem Gebäude dokumentiert werden (Abb. 03). Diese befanden sich jedoch nicht mehr in ihrer originalen Position und wurden somit vorerst entfernt. Einer der Steinblöcke, der schräg im Raum lag konnte als Schwellstein identifiziert werden, der ehemals im Eingang des Gebäudes lag (Abb. 04). Wann und warum es zur Verlagerung des Steines kam, bleibt ungeklärt.
Im gesamten Eingangsraum hat sich, wenngleich in mäßigem Zustand, der originale Estrichfußboden samt zugehöriger Steinrollierung erhalten. An der Innenseite der Ostmauer konnte zudem ein marginaler Rest eines jüngeren Fußbodens festgestellt werden, weswegen von einer Umbauphase des Gebäudes ausgegangen werden kann.
Im angrenzenden großen Raum war der originale Estrichfußboden inklusive Rollierung nur noch in der westlichen Hälfte erhalten. Der östliche Teil des Raumes ist von den Altschnitten Miltners geprägt. Bei deren erneutem Ausnehmen kamen zwei weiter Mauerzüge zu Tage. Diese bilden eine Ecke und dürften sich sowohl südlich außerhalb der Kirche als auch östlich unterhalb des Bodens im Eingangsraum fortsetzen. Bei diesem Mauereck handelt es sich um die Reste eines älteren, gleich orientierten Gebäudes, über dem der spätere Komplex I errichtet wurde. Da in diesem Bereich jedoch keine originalen Schichtzusammenhänge mehr vorhanden waren muss eine Datierung des Vorgängerbaus vorerst offen bleiben.
Unterhalb der Mauern und der Fußböden konnte eine massive Aufschüttung aus dunklem, stark fundführenden Lehm festgestellt werden, der direkt auf dem geologischen Untergrund auflag. Bei diesem dürfte es sich, analog zu Befunden in der Kirche, um umgelagertes Material handeln, das zur Anlage der Terrasse einplaniert wurde. Das Fundmaterial deutet auf eisenzeitliche Schichten hin, die in (spät-)römischer Zeit verlagert wurden.
Zudem konnte der Erhaltungszustand der freiliegenden Außenmauern des Gebäudes überprüft und dokumentiert werden. Insbesondere die Südmauer weist in den untersten Lagen starke Beschädigungen auf, die den Handlungsbedarf im Bereich dieser Gebäude verdeutlichen (Abb. 05).
Die Untersuchungen und Instandhaltungsarbeiten sollen in den Folgejahren fortgesetzt werden. Im kommenden Jahr werden sich die Arbeiten auf das östliche Gebäude des Komplexes (RI-1), den Bereich zwischen den beiden Gebäuden sowie den Vorgängerbau konzentrieren.